Dienstag, 13. März 2012

Empfehlung WiWo

Ein wacher Geist in einem schwachen Körper

Marx ist gerade mal 29 Jahre alt und hat ein bewegtes Leben hinter sich: Aufgewachsen in Trier, bleibt ihm nach dem Jura-Studium in Bonn und Berlin eine akademische Karriere verwehrt, die preußischen Behörden kujonieren ihn als aufmüpfigen Linkshegelianer – und so verdingt er sich als Journalist bei der „Rheinischen Zeitung“ in Köln (1842). Als die Zensur zuschlägt, siedelt er nach Paris, wo er mit Heinrich Heine und Friedrich Engels in Kontakt kommt, von Paris aus treibt ihn der lange Arm der preußischen Justiz nach Brüssel (1845); drei Jahre später wird er dort verhaftet und ausgewiesen, flüchtet über Paris und Köln (nochmalige Ausweisung) als Staatenloser ins Exil nach London (1849).

Unter schweren Bedingungen

Und hier verbringt er den Rest seines Lebens, tagsüber im Leseraum des British Museums, wo er praktisch alle Werke der Politischen Ökonomie studiert – und nachts zu Hause, wo er „Das Kapital“ verfasst, in einer erbärmlichen Stube, unzureichend genährt, ärztlich schlecht versorgt, obwohl er von Engels finanziell unterstützt wird und sich als Europa-Korrespondent der „New York Tribune“ ein paar Pfund dazuverdient. Als Politiker beteiligt sich Marx noch federführend an der Gründung der „Ersten Internationale“ (1864) und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (1869) in Deutschland, doch die Armut zehrt an seinen Kräften, seine Frau und fünf seiner sieben Kinder sterben früh, Marx selbst bringt nicht mehr die Kraft auf zur Vollendung seines Mammutwerkes – und stirbt am 14. März 1883.

Aufbegehren gegen das "deutsche Bewusstsein"

Man kann dieses Mammutwerk über den Industriekapitalismus nicht verstehen, ohne zu wissen, woher es kommt: aus einer anderen, vorindustriellen Zeit. Marx war ein Teenager, als Hegel (1831) und Goethe (1832) starben. Hegel sah im damaligen Preußen die Einheit von institutioneller Ordnung und individueller Freiheit erreicht – und Goethe immerhin noch die Chance, dass eine handwerkliche Erwerbsbiografie auch unter frühindustriellen Bedingungen möglich sei. Entsprechend unbestimmt ist zunächst Marx’ Kritik; sie richtet sich gegen die Religion, die idealistische Philosophie und den Staat, kurz: gegen „die ganze bisherige Weise des deutschen... Bewusstseins“. Marx will seine Zeit vom „Nonsens“ befreien, mit dem Pfarrer, Philosophen und Politiker die Welt auskleiden, um sich in ihr zu gefallen. Er versteht Religion und (Hegels) Philosophie als Projektionen des menschlichen Wesens, in denen der Mensch sich selbst, als Gott und Weltgeist entfremdet, widerspiegelt.

[...]

Dies nur als kleiner Ausschnitt des umfangreichen Artikels, der in der WiWo erschienen ist. Empfehlenswert im Thema Ökonomen ist vorbereitend zur Kritik an Marx auch der Artikel zu John Maynard Keynes bzw. Milton Friedman.

Hier der Link für alle Lesefreudigen: http://www.wiwo.de/themen/%C3%96konomen

Dort kann man sich kinderleicht viele nützliche und wie ich finde gut geschriebene Informationen (auch in Vorbereitung für die Abiturprüfung) verschaffen.

Viel Spaß damit!

Jorinde

Sonntag, 19. Februar 2012

Das utopische Element in Utopia

Utopia - heute der Inbegriff der idealen, wenngleich, auf ironisch-spöttische Weise schon im begriff enthalten, unmöglichen, nichtörtlichen, irrealen Gesellschaft, einer Stadt der Träume und der Träumer.
Thomas Morus entwarf die literarische Kategorie der Utopie, wie sie auch heute existiert - als positivistische Zukunftsvision. Zukunft ist hierbei als Ferne zu verstehen. Heute ist es die zeitliche Ferne, die zunehmend zur Nähe wird; bei mors war es die räumliche Ferne. Weit weg aber muss sie sein, die Utopie - sonst wäre sie nicht gesellschaftsfähig. Gerne doch beschäftigt der Mensch sich mit Traumwelten, sogar erkennt er an, was daran gut ist und was sogar explizit die unsrige Gesellschaft verbessre könnte - aber es sind ja alles Träume, Illusionen, alles bleibt - utopisch.
Zunehmend wurde die Utopie auch ausschließlich zu etwas euphemistischem, ihre Umkehrung nannte man Dystopie. Die Verfallsform von Utopia ist zwar in ihrer äußerlichen Gestalt düsterer, präsentiert sich eher in einem film noir als in einer philosophisch strukturierten Schrift, bezweckt aber genau das gleiche. Die Dystopie ist das ex-negativo-Argument zur Utopie. Anstelle zu zeigen, was alles ideal wäre, zeigt man, wozu es führte, wenn man sich nicht dorthin bewegt.
Will man aber konsequent sein, so fragt sich doch, ob wirklich alle Utopien unerfüllbare Fata Morganas sind, die lediglich als Kompass des Guten fungieren, oder doch verkannte Gesellschaftmodelle.
In Morus Utopia beispielsweise erscheint doch gar nicht allzu viel Utopisches verborgen zu sein. Die meisten seiner Ansätze sind längst nicht erfüllt, gelten aber auch nicht mehr als unerfüllbar.
Da wäre der Verzicht auf Besitz. Obschon dies im Kapitalismus natürlich fernab jeder Konkretion liegt, sind wir doch in der Lage, uns eine Gesellschaft, in der es keinen Besitz gibt, vorzustellen als etwas Konkretes. Es existieren (kleine) Gesellschaften, die auch ohne Besitz auskommen. Durch unsere sozialen Auffangmechanismen ist es heute (zumindest sehr bedingt) auch möglich, ohne Besitz innerhalb unsere Gesellschaft zu überleben. Und auf dieser kleinen Klausel, die Morus von den Vertragstheoretikern so deutlich abhebt, fußt auch der wichtigste verbleibende Teil von Utopia: der Arbeitszwang, denn wenn alle vom Gemeinwesen versorgt werden wollen, muss dieses ja auch, im Interesse aller, mit (man verzeihe den hier historisch eigentlich unpassenden Begriff) notwendigen Gebrauchswerten zu versorgen. Auch die scheinbar gerechte Strukturierung von Utopia beruht darauf, dass die Versorgung aller durch alle ein logistisches Problem darstellt. Deshalb muss die Bevölkerungsgröße der einzelnen Siedlungen reguliert werden, deshalb braucht es eine Regierung, die natürlich zirkulieren muss, um die Gefahr der Besitzanhäufung zu unterbinden. Natürlich muss auch die Regierung auf dem Feld arbeiten, denn auch sie will ja mit Essen versorgt werden. Und wenn jeder nur wahre Gebrauchswerte verwendet, so folgt zwangsweise eine Überproduktion und folglich auch stofflicher Reichtum des Gemeinwesens. Es scheint tatsächlich, als würde der Verzicht auf Eigentum Utopia in eine paradiesische Gesellschaft verwandeln.
Umso interessanter ist es, das Fundament zu untersuchen, auf welchem dieser Verzicht steht.
Was ist notwendig, damit Individuen bereitwillig auf Eigentum verzichten? Man würde ihnen natürlich die oben genannten Vorteile erläutern. Folglich ist ein gewisses Maß an Verstand vonnöten, um der Argumentation zu folgen. Desweiteren brauchen die Bürger Vernunft, zumindest in einer primitiven Form, um zu urteilen, dass die prophezeite, besitzlose Gesellschaft eine bessere ist als diejenige, in der sie leben. Da allen bewusst sein wird, dass auch die sicherste Beweisführung "zum Paradies" keine Gewissheit bieten kann, müssen die aktuellen, vor-utopischen Zustände entsprechend schlecht, zumindest aber nicht gut sein, damit das Risiko sich auch lohnt.
Weiteres ist nicht vonnöten, um zum Entschluss zu gelangen sich einer Utopie anzuschließen... oder doch?
Es gibt gewisse Aspekte, die nicht vorhanden sein dürfen, weil sie die Entwicklung sonst verhindern würde. Als erstes fällt natürlich das Besitzstreben heraus. Es versteht sich von selbst, dass ein Menschenbild des Besitzstrebens eine besitzlose Gesellschaft nicht dulden kann. Das soll nicht heißen, dass nach Besitz strebende Menschen in der aktuellen Welt eine Utopie unterbänden - diese Eigenschaft darf nur nicht immanent im menschlichen Wesen verankert sein.
Ein Sartre`scher Existentialist hätte demnach gar keine Probleme mit Utopia, denn hier gibt es ja kein Wesen, das dem Ganzen im Weg stehen könnte.
Schwierig wird es bei einem anderen Aspekt: Man bedenke, dass die Gebrauchswerte den Utopiern nicht zugeteilt werden, sondern dass sie selbst auswählen, was sie brauchen und was nicht. Nehmen wir an, jeder Utopier wäre absolut überzeugt von der Ideologie seines geliebten Utopias. Er weiß demnach, dass er nur soviel verbrauchen darf, wie er auch benötigt. Nun kommt, sagen wir einmal, ein Bäcker mit Brötchen. Wie viele nimmt er sich? Wie viele braucht er denn? Holt er sich eine Kalorienrechnertabelle, Waage und Taschenrechner? Fragt er seinen Nachbarn, wie viel er sonst nimmt? Nimmt er einfach so viele, wie sonst auch immer? Worauf ich hinauswill, ist die Schwierigkeit der Bedürfnisabschätzung. Wäre jeder Mensch überhaupt in der Lage, zu beurteilen, wieviel Essen er braucht, so gäbe es keine übergewichtigen Menschen (und auch keine untergewichtigen). Wenn wir in diesem Beispiel bleiben: das unterschiedliche Gewicht entspringt nicht dem Verlangen nach immer mehr Gebrauchswerten, sondern schlichtweg der Fehleinschätzung eines natürlichen Bedürfnisses. Und wenn es nun um andere Güter geht, wie soll das erst funktionieren? Im abstraktesten Fall: Wer könnte heute schon exakt sagen, und zwar ehrlich, wie viel Geld er unbedingt braucht, wenn eine utopische Regierung ihn danach fragen würde? Gesetzt dem Fall, er würde es ehrlich versuchen - er läge trotzdem falsch. Und das ist in beiden Fällen fatal. Wenn er zuviel verlangt, schadet das Utopia - wenn er zu wenig verlangt, wird er es merken, und das nächste Mal mehr nehmen, zur Sicherheit. Ganz außer Diskussion steht dabei die Steigerbarkeit von Bedürfnissen. In manchen Fällen entspringt das Immer-Mehr-Wollen nicht den Klauen der kapitalistischen Produktionsweise, sonder vielmehr der physiologischen Beschaffenheit unseres Gehirns. An Glückshormone beispielsweise passen sich unsere Synapsen an. Folglich ist es ganz natürlich und ehrlich, dass solche Bedürfnisse mit der Zeit steigen.
Letztlich bleibt Utopia also Utopie. Jene Insel ist keine Utopie des Wollens, nein.
Sie ist eine Utopie des Könnens.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Frage

Letzt Stunde sind mir einige Dinge hinsichtlich der Pro - Contra Debatte zu Platons Idealstaat offen geblieben, weshalb ich euch einmal um Hilfe bitten wollte.

Unsere Kritikpunkte waren folgende:
1. Determination (Dies bewies sich nicht, da man in unserem Staat durch mehr Faktoren determiniert ist, als in Platons Staat)

2. Uniformität (Hier war der Konsens, dass die Uniformität nach verschiedenen Faktoren betrachtet werden kann und folglich mehr oder minder ausgeglichen ist in beiden Staaten)

3. Fehlende Mündigkeit (Hier liegt mein Problem, wir haben diesen Kritikpunkt widerlegt, aber wie? In Platons Staat sind doch alle unmündig, bis auf den König, wohingegen bei uns jeder mit 21 Jahren mündig ist)

Dies waren die Kritikpunkte, die wir widerlegten. Es folgen die die wirklichen Contra - Argumente:

Frage: Wie lässt sich eine Fehlentscheidung durch den Philosophenkönig gänzlich verhindern? Es fehlen also:

1. Gewaltenteilung (gegenseitige Kontrolle/Annuität und Kollegialität)
2. Eine Verfassung (die Grundrechte garantiert und über dem Philosophenkönig steht)

Was mir noch einfiel zu Contra - Argumenten:
1. Gleich nach der Geburt werden die Eltern ihrer Kinder beraubt. Vor Bildung des Philosophenstaates würde das kein Elternteil zulassen. Folglich müssen die Eltern also anfangs gewaltsam von ihren Kindern getrennt werden, indoktriniert und umerzogen werden. Dem Idealstaat würde eine Gewaltherrschaft vorausgehen.
2. Zum Punkt Uniformität fiel mir ein, dass sie gar nicht gewährt werden kann, schon aus rein lithographischen und klimatischen Gründen, gibt es zwangsläufig Unterschiede, die sich auch auf die Kinder auswirken.


Pro - Argumente waren (leider hatte ich nur noch eins):

1. Der Staat wird durch Vernunft, nicht durch Vermögen regiert.

Ich bitte dringend um Verbesserungen, Ergänzungen und Hilfe, um dieses Loch vielleicht auch für andere zu füllen.

Gruß Jan.

Freitag, 27. Januar 2012

Lockes Vertragstheorie





So, ich habe mal versucht die heutige Stunde als Visualisierung zu verewigen (die Qualität der Bilder ist deutlich besser, wenn ihr mal draufklickt).
Als Erklärung für alle, die nicht da waren, kann auch durchaus unser Fallbeispiel verwendet werden:

Wir in Berlin sind ein friedlich nebeneinander lebendes Volk und leben von unserem besonders großen Fischfang. Wir vermehren wir uns stetig, denn es gibt ja immer einen Überfluss an Fisch.
Leider leiden wir nun irgendwann daran, dass wir mit Überfischung u.Ä. rechnen müssen, unsere Ressource wird knapp (also der Fisch). Nun werden wir folgendes tun: Einerseits werden wir Arbeitsteilungen einführen (z.B. einer der Einwohner fischt, einer macht die Netze, einer angelt usw.), welche zwangsläufig zur Spezialisierung in bestimmten Tätigkeiten führt. Andererseits werden wir nun handeln wollen, weil unser Fisch ja alle ist, unsere Mägen dennoch heftig knurren. Wir treffen nun also auf unsere ebenfalls in Frieden lebenden Nachbarn, die Potsdamer, welche bis zu diesem Zeitpunkt von Brot leben (Getreideanbau etc.) und von Fisch noch nie etwas gehört haben. So können wir einen Teil unseres raren Fisches also an die Potsdamer zum Wuchertauschpreis eintauschen gegen Brot oder viel einfacher: Samen.
Nun betreiben wir also auch Ackerbau, wissen irgendwann auch wie man Brot bäckt und die Potsdamer im Gegenzug, wie man möglichst effizient viel fischt.
Nach einer gewissen Zeit (mittlerweile hat unsere Gemeinschaft bereits so ziemlich jedes Natural eingetauscht und ist in der Lage es selbst zu produzieren) fahren nun alle Gemeinschaften für jedes Natural riesige Ernten ein, was zu einem immensen Überschuss führt.
Und da wir bemerken, dass Naturalien sich nicht ewig halten, d.h. unser Ernteüberschuss irgendwann einfach schlecht wird, wollen wir natürlich etwas beständiges, unvergängliches - eine Währung.
Also suchen wir uns einen Handelspartner (naheliegend an der Ostsee), welcher solche Währungsmittel fördern kann, und tauschen (ebenso die anderen Gemeinschaften) unsere überschüssigen Naturalien in schönes Bernstein um, welches uns in Folge auch nicht vergammelt.
Und auch das Ostsee - Völkchen freut sich, denn sie können sich jetzt vollends auf das Bernsteinsammeln konzentrieren (Spezialisierung) und werden durch ihre Tauschgeschäfte fremdversorgt.
Da nun unsere Ernteüberschüsse für immer konserviert sind, lehnen wir uns zurück und beobachten das Treiben, tauschen bei gewissen Missernten ab und zu mal etwas von unserem Bernstein in Naturalien ein, horten aber ansonsten unsere konservierten Ernteüberschüsse- und so die Potsdamer.
Nun, sollte es wirklich mal dazu kommen, dass wir zu wenige Fische fangen, hilft der hilfsbereite Potsdamer uns gerne aus, da es ja in seinem Interesse ist, dass wir weiter bestehen (als Handelspartner). Sollte jedoch mehrer Jahre hintereinander eine solche Missernte eingefahren werden, werden wir uns gezwungen sehen, denn Potsdamern allmählich auch Land sowie unsere Arbeitskraft zu verkaufen. Und so ziehen wir alle nach und nach nach Potsdam, um dort als Sklaven zu arbeiten. Und diese bekommen von dem Ernteüberschuss wenig ab, uns geht es also schlecht, es entstehen doch sehr deutliche Eigentumsunterschiede.
Irgendwann dann, wird das Huhn welches der Sklave hütet, teurer sein, als der Sklave selbst, und in diesem Augenblick reicht es uns.
Die Sklaven gehen auf die Barrikaden, fangen an zu rauben und zu brandschatzen (sie sind ja die Masse) und könnten auch gut so weiterleben.
Allerdings haben die Besitzenden (Potsdamer) damit ein wirkliches Problem, sie sehen ihr Eigentum in Gefahr, also gründen sie einen Staat. Und dieser beruht auf einem Vertrag, welcher die Eigentumsunterschiede wahren soll.
Dabei sitzen jetzt die Besitzenden im Parlament und auch nur sie haben ein Wahlrecht und bauen sich eine Sicherheitsbasis, die Exekutive/Judikative auf, in unserem Fall ein Schlägertrupp, welcher uns aufmischt.
Und gerechtfertigt wird das ganze dann mit einer Spur Christentum, denn wir, die Sklaven, haben ja letztendlich nichts anderes getan, als Gottes Eigentum geraubt, wofür man defintiv bestraft gehört.


Bitte bemängelt nicht die geschriebene Form des Beispiels, es geht ja nur um das Prinzip.
Tipps, Ratschläge, Verbesserungen, Fragen - tut es einfach. Euch keinen Zwang an.

Hobbes Vertragstheorie

Hier mal eine Visualisierung unserer Stunde. Falls ihr Unklarheiten seht bzw. Verbesserungsvorschläge habt, immer raus damit ;)

Mittwoch, 25. Januar 2012

Platons Philosophenstaat

Auf der Suche nach einem Staat, der im größtmöglichen Maße ein friedliches und glückseliges Zusammenleben der Bevölkerung garantiert, entwarf Platon einen Idealstaat unter philosophischer Herrschaft.

Das Fundament seines Staates bildet eine Ständeordnung, aus drei Klassen, deren Dasein und deren hierarchische Ordnung mit einer Seelenanalogie begründet wird.

Demnach besteht die menschliche Seele aus drei Teilen, die in unterschiedlichen Teilen des Körpers angesiedelt sind (Hier sei auf die Frage nach dem Sitz der Seele, welche in der Aufklärung diskutiert wurde, verwiesen). An unterster Stelle steht Epithymetikon, welches gewissermaßen die tierische Natur, Triebhaftigkeit und vor allem das Besitzstreben verkörpert. Da Besitz und damit verbunden die Sicherheit eines Individuums die erste Bedingung zur Staatenbildung ist, bildet das Epithymetikon auch die Basis der Seele.
In Brusthöhe befindet sich das Thymoeides, welches insbesondere den angemessenen und sinnvoll eingesetzten Mut beinhaltet. Dies impliziert also, dass der Seelenteil in seiner vollkommenen Form existiert, solange eine gewisse Besonnenheit und Furchtlosigkeit, nicht aber der Übermut beispielsweise an regierender Stelle steht. Dies vermag das Thymoeides aber nicht alleine zu bewerkstelligen, sondern bedarf der engen Verflechtung mit dem erhabensten und im Kopf ansässigen Seelenteil, dem Logistikon.
Als Quelle der Vernunft und oberste Instanz in der Seele, obliegt ihm die "Herrschaft". Seine Aufgabe besteht, in der Mäßigung der anderen beiden Seelenteile, um diese zum Guten zu wenden und umgekehrt besteht die Aufgabe der anderen Teile in der Hörigkeit gegenüber des Logistikons.

Nun lässt sich die eigentliche Ständegesellschaft ableiten. Sie lässt sich in Form einer Pyramide skizzieren, wobei der Nährstand (Epithymetikon) als Warenproduzent die Basis bildet, sich der Wächterstand (Thymoeides) darauf aufbaut und dem Staat dessen Wehrhaftigkeit verleiht und die Spitze letztlich der Philosophenkönig (Logistikon) bildet, der mit Vernunft über den Staat wacht und außerdem alle Menschen ihren zugehörigen Ständen zuordnet.

Aber woher nimmt der Philosophenkönig das Wissen über jeden Menschen? Er nimmt dies aus seiner Weisheit, die er im Zuge einer "Erleuchtung" über alle Dinge im Diesseits und im Jenseits gewann. Um dies zu verstehen, muss die Erziehung in Platons Staat genauer betrachtet werden.

Kurz nach ihrer Geburt, werden die Kinder den Eltern entrissen und in einer Art "Kindertagesstätte" großgezogen. (Damit soll verhindert werden, dass durch unterschiedliche Erziehungsideale unterschiedlich große Chancen entstehen.) Diese KITAS müssen Platons Forderung nach Chancengleichheit folgend, alle gleich gebaut, gleich ausgestattet und von gleich qualifizierten Erziehern betreut werden. Nach den ersten Lebensjahren erhalten die Kinder dann Unterricht in Musik und Gymnastik. Die beiden Fächer werden unterrichtet, das Logistikon und den Körper zu schulen. Da Musik bewiesenermaßen engen Bezug zur Mathematik und Logik hat und da ein überaus logischer Mensch auch überaus besonnen handelt (schließlich ist er sehr berechnend) ist dies also zur Vorbereitung auf eine eventuelle Existenz als Philosophenkönig leicht nachvollziehbar. Die Schulung des Körpers ermöglich natürlich gleichermaßen den Zugang zum Wächter - oder zum Nährstand.
In der Schule dann werden die Kinder in Arithmetik, Geometrie und Dialektik unterrichtet. All diese Fächer dienen lediglich dem Zweck, später all jene, denen diese Fächer nicht liegen, auszusieben, da sie zum Philosophenkönig schon einmal nicht geeignet sind. aber nicht allein die Fertigkeiten in der Mathematik bilden ein Kriterium. Auch wird immer wieder die mentale Stärke der Heranwachsenden geprüft, indem man sie widrigen Bedingungen oder Versuchungen aussetzt.
Bleiben die Philosophen schlussendlich übrig, werden diese vielen weiteren Prüfungen unterzogen und sobald sie ihre Lehrzeit beendet haben, sind sie zu 20 Jahren staatlichen Dienst verpflichtet, um sich erneut zu beweisen und um vor allem mit der Realität des Staates konfrontiert zu werden, den sie einst lenken wollen.
In der letzten Phase dann gelangt der Philosoph zum Ursprung der Welt (hier sie auf das Höhlengleichnis verwiesen), er erkennt die "Ideen" und die die Welt lenkenden Prinzipien, ist also "erleuchtet" und nun auch in der Lage das Wesen aller Menschen zu erkennen, die vor ihm stehen und sie den Ständen zuzuordnen.

So wie vom Philosophenkönig mentale Stärke, Weisheit und eine besonnene Regierung des Staates erwartet wird, erwartet man von den beiden anderen Ständen, ebenfalls vollkommene Erfüllung ihrer Aufgaben, nicht mehr und nicht weniger. Das ist besonders wichtig, denn das Überleben des Staates hängt von der Übereinkunft der Stände ab, die sich in ihren Aufgaben wieder finden und diese, aber auch NUR diese erstklassig erfüllen.

Der Staat lässt sich also als Körper begreifen, wobei jeder Stand nicht nur einen Seelenteil, sondern auch bestimmte Körperfunktionen übernimmt und repräsentiert. Die Einheit und Gleichheit von Seele, Körper, den einzelnen Teilen, garantiert die Glückseligkeit aller. Solch Gleichnis finden wir in den römischen Ständekämpfen und auch in abgewandelter Form bei Rousseau wieder.

Doch in Gegensatz zu Rousseau´s Staatsphilosophie ist Platons Idealstaat gemeinhin als Utopie gekennzeichnet, gerade wegen der Bedingung, dass sich jeder in seinem Element fügt, also auch jeder Mensch zu sich selber und seiner Berufung findet, wogegen es in Historie und Gegenwart
etliche Beispiele für das Gegenteil gibt.
Auch die Chancengleichheit, wenngleich ein nachahmenswerter Gedanke, kann unmöglich in Platons Radikalität umgesetzt werden. Zu viele Faktoren, wie zum Beispiel rein geographische, aber auch ideologische, sind an der Bildung eines Kindescharakters zu berücksichtigen. Man kann zum Beispiel nicht alle Kinder an einen Ort im Land schicken, damit alle die gleichen Voraussetzungen haben. Zudem würde das Zerreißen der Familie gleich nach Gründung dieser, ideologisch indoktrinierte Eltern voraussetzten, die ihre Kinder freiwillig hergeben, wann aber diese Umerziehen? Das würde bedeuten, eine Übergangsform zu schaffen, indem die Bevölkerung auf den Idealstaat eingestimmt wird, aber es müssten dort Praktiken eingesetzt werden, die dem Idealstaat entgegenstehen. Beispielsweise gewaltsame Familientrennung, Klassifizierung der Bevölkerung in Stände, durch Menschen, die noch weit von der geistigen Reife eines Philosophenkönigs entfernt sind. Dasselbe Problem haben auch die Existentialisten, wenn sie den Marxismus als ultimative Staatsform bezeichnen, aufgrund ihrer Philosophie aber den Weg dorthin nicht beschreiten können.

Letztendlich bleibt Platons Staat Idealstaat, der zwar auf rein anatomischen, wenngleich wissenschaftlich unbeweisbaren, Einsichten begründet, die Reife und Selbstfindung des Menschen fordert, die nur ein Bruchteil von uns jemals fähig ist zu erreichen. Aber auch historisch bedingt, ist uns Platons Staat inzwischen verweigert, lehrten uns die Aufklärer doch allesamt das Denken, von Verstand und Vernunft gebrauch zu machen. Würden wir als Aufgeklärte, als res cogitans, eine Monarchie, die absolute Hörigkeit gegenüber dem Oberhaupt und Stagnation unserer Fähigkeiten wollen, weil wir NUR das tun, was uns aufgetragen wird?
Kants KI verbietet uns das, aber auch ohne ihn, würde sich niemand mehr freiwillig dieser Staatsform anschließen, denn wir sind lieber ein unzufriedener Sokrates, als ein vollkommen glückliches Schwein.

Dienstag, 24. Januar 2012

Marx vs. Hegel

Zufälligerweise entdeckte ich, passend zu unserem unterrichtlichen Exkurs in den historischen Materialismus und die dauernden Verweise auf Hegel, ein altes Essay aus der zehnten Klasse. Darin werden die geschichtsphilosophischen Theorien Marx und Hegels kurz umrissen, verglichen und kritisiert. Es folgt auch noch eine eigene Geschichtsphilosophie, die ich rückblickend wohl als pragmatisch-metaphysischer Nihilismus bezeichnen würde.

Viele Philosophen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die menschliche Geschichte genauestens zu untersuchen und Muster aufzudecken, um daraus zu lernen. So entwickelte auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel eine Theorie zum Sinn der Geschichte, aus der sein Schüler Karl Marx seine eigenen Vorstellungen des Historischen Materialismus ableitete.

Hegel ist für seine hochkomplexen Theorien bekannt, die es dem Rezipienten nicht einfach machen, seine Ausführungen zu deuten. Seine geschichtsphilosophische Theorie legt er in seinem Werk „Phänomenologie des Geistes“ dar. Es handelt, wie der Titel bereits andeutet, von der „Erscheinung“ (Phänomen) des Geistes im Sinne des so genannten „Weltgeistes“. Dieser bezeichnet nach Hegel die Entwicklung zur absoluten Wahrheit, zum Stadium vollständig entfalteter Vernunft. So zielt Hegels Theorie genau darauf ab: die höchste Form der Vernunft, in der die Menschen selbst ihren Wert erkennen. Der „Weltgeist“ soll die Menschen zu diesem Stadium führen, indem er welthistorische Persönlichkeiten durch „List“ lenkt. Zwar sind es nur einzelne Individuen, die so vom Weltgeist beeinflusst werden, doch nach Hegel sind es ebenjene Persönlichkeiten, die Massen bewegen und damit Fortschritt bringen können. Der Weltgeist ist dabei aber nicht als gottgleiches, unabhängiges Wesen zu verstehen, das über den Menschen schwebt, sondern er steckt in den Menschen und in ihrer Geschichte. Er ist die Entwicklung seiner selbst vom Unscheinbaren hin zur absoluten Wahrheit und hat somit sein eigenes Ende zum Zweck. So erklärt Hegel den stetigen Fortschritt der Menschheit dadurch, dass der Weltgeist sie Stück für Stück zur totalen Vernunft führt, in der sie sich ihres eigenen Geistes bewusst wird. Die Entwicklung verläuft treppenartig, denn nach jedem Fortschritt tun sich neue Widersprüche auf, die gelöst werden müssen, bis zum letztendlichen Ziel. Dabei kann es sowohl positive Vorbilder an welthistorischen Persönlichkeiten geben, die direkt einen Schritt zur Vernunft machen, aber auch negative Vorbilder. Jene negativen, gar schlechten Persönlichkeiten würden zwar denken, ihrem eigenen Willen entsprechend zu handeln, letztlich jedoch der Verwirklichung der Vernunft dienen. So könnte beispielsweise der zweite Weltkrieg, ausgelöst durch die „Persönlichkeit“ Adolf Hitler, nach Hegel dazu gedient haben, den Menschen klar zu machen, dass etwas derartiges nie wieder geschehen dürfe.

Karl Marx erkennt die stufenhafte Entwicklung der Geschichte an, hat aber ansonsten, wie er selbst sagte, „Hegels Theorie vom Kopf auf die Füße gestellt“. Er sieht die Ursachen des menschlichen Fortschritts nicht im Streben nach Vernunft, sondern vielmehr bedingt durch ökonomische Faktoren. Als stetige und einzige Konstante in der Geschichte erkennt er das Streben nach Eigentum an. Die Ursachen dafür sind für ihn anthropologisch bedingt. So benötigt der Mensch, um seine Lebenssituation zu verbessern, stets Eigentum. Natürlicherweise tut sich immer eine Schere auf zwischen reichen Menschen und armen, die den reichen untergeben sind. Während die Reichen den Fortschritt erleben, bleibt die untere Schicht, in der Antike Sklaven, später, im Mittelalter, Leibeigene, und in der Moderne das Proletariat, auf einem gleich bleibenden Niveau. Wird der Unterschied jedoch zu groß, so gibt es eine Revolution, und die Arbeitsbedingungen werden dem Fortschritt angepasst. Danach jedoch tun sich wieder Differenzen auf, und dasselbe beginnt von neuem.

Im Gegensatz zu Hegel sieht Marx nicht irgendwann ein Ende des Fortschritts in Form der absoluten Vernunft. Demnach müsse man, um Gerechtigkeit zu erhalten, die Arbeitsbedingungen des Proletariats dem Fortschritt anpassen. Marx’ Vision ist eine ewige, parallele Entwicklung der Arbeitsverhältnisse zum Fortschritt. Dazu sieht er die „Umerziehung“ der Menschen vor, bis diese bereit sind, in der von Marx angestrebten Welt, wo alle gleich behandelt werden, zu leben.

Die offensichtlichen Schwächen von Marx’ Theorie liegen in ihrer Umsetzung. Ob eine Umerziehung der Menschen, die die Abgewöhnung der Gier beinhaltet, tatsächlich möglich ist, erscheint fragwürdig. Zudem setzt Marx die Weitererhaltung des ständigen Fortschritts als gegeben voraus. Wie aber soll Fortschritt entstehen, wenn Einzelleistungen keine Bedeutung mehr zugesagt wird? In Hegels Theorie sind es die Einzelnen, die Massen bewegen. Der Historische Materialismus birgt die Gefahr, dass die völlige Gleichstellung aller Menschen zwar zu einer Anpassung an den Fortschritt führt, dieser aber ausbleibt. Da sich die Emotionen der Menschen aber nicht ausschalten lassen, würde es Widerstände geben, und das System fiele zusammen. Eine solche Vorstellungen vom Kommunismus, Marx’ Weltvorstellung nach der „Übergangsphase“ des Sozialismus, würde sich wunderbar passend in Hegels Theorie einreihen: Die Menschheit probiert es aus, um festzustellen dass es nicht zur Vernunft führt, und ist dem Endstadium wieder ein Stück näher. Darin liegt gerade der Vorteil an Hegels Ausführungen: Alle möglichen Ereignisse lassen sich in irgendeiner Art und Weise so interpretieren, dass daraus eine vernünftige Handlung entsteht. So ist eine der Kernaussagen Hegels: „Alles, was geschieht, ist vernünftig.“ Aber eben jene Perfektion ist gleichzeitig der Schwachpunkt der Theorie. Sie scheint zu ideal. Die Vermutung liegt nahe, dass die positiven Folgen all dieser Katastrophen wie Kriege u. Ä. rein imaginär sind, dass man sie „hineininterpretiert“. Denn der Weltgeist ist rein spekulativ; es gibt keinerlei Beweis für seine Existenz. Weiterführend kann man das ganze System auch umdrehen: Was, wenn es tatsächlich eine Art „Weltgeist“ gibt, dieser uns aber nicht zur Vernunft, sondern ins Verderben führt? Man würde dabei allen Ereignissen ihren negativen Charakter lassen, und den positiven eine negative Folge zusprechen. So könnte man als Beispiel die französische Revolution nehmen. Hätte Frankreich keine Demokratie gehabt, als Deutschland im ersten Weltkrieg besiegt wurde, so hätte es auch Deutschland mit dem Versailler Vertrag keine Demokratie als Staatsform aufgezwungen. Und vielleicht wäre dann nie der zweite Weltkrieg ausgebrochen, denn die Nationalsozialisten hetzten ja ebenso gegen den Versailler Vertrag. Demnach hätte, wenn man sich wie Hegel alle Interpretationsmöglichkeiten frei lässt, die Französische Revolution den zweiten Weltkrieg ausgelöst.

Hegel ist demnach mit seiner Theorie erstaunlich optimistisch, obwohl sich auf gleicher Basis eine extrem pessimistische Idee erstellen lässt.

Marx hat ein weiteres Problem: Um die Menschen umzuerziehen, bedarf es einer Regierung. Demnach lenkt diese Regierung Massen, Einzelne bewegen also Massen. Selbst Marx persönlich bewegt Massen, indem er seine Theorie verbreitet. Er ordnet sich deshalb in die Reihe der welthistorischen Persönlichkeiten ein, seine ganze Theorie fügt sich in die Ausführungen zum Weltgeist.

Dem hat Marx nichts entgegenzusetzen; Hegels Ideen passen nicht in seine Theorie des historischen Materialismus.

Hegel schreibt den Philosophen eine andere Bedeutung zu: Sie sollen nicht lenken, sondern beschreiben. Er meint damit, dass die Philosophen das Wirken und die Entwicklung des Weltgeistes untersuchen sollen. Damit bezieht er natürlich nur seine eigenen Anhänger ein; andere Philosophen werden zu den historischen Persönlichkeiten gerechnet. Hegel selbst sieht seine Theorie auch als das perfekte Stadium an. Er habe die absolute Vernunft bereits erreicht, da er sich der Existenz des Weltgeistes bewusst wurde. Dies ist jedoch ein Zirkelargument. Wäre er sich einer Illusion bewusst geworden, hätte er auch keinen höheren Grad der Weisheit erlangt. Er sieht seine Theorie als selbstverständlich an und spart sich damit die fehlenden Belege.

Wenn ich mir nun selbst überlege, wie ich die Geschichte zu verstehen habe, so kann ich mich weder Marx noch Hegel vollends anschließen, obwohl ich Hegels Theorie bevorzuge. Sie erscheint mir schlichtweg realistischer.

Dennoch halte ich Hegels Weltgeist für zu ideal. Seine Theorie ist zu optimistisch. Erfahrungsgemäß sind allzu schöne Wahrheiten häufig Trugbilder; Scheinwelten, in die sich die Menschen flüchten, die die Augen vor der Wahrheit verschließen.

Ähnliche Ansichten vermitteln die Lehren des alten China. Laotse schreibt im 81. Kapitel seines „Tao Te King“: „Wahre Worte sind nicht schön. Schöne Worte sind nicht wahr.“

Ich halte es deshalb für realistischer, keine ideale Theorie zu vertreten. Wie ich bereits angedeutet habe, lässt sich mit Hegels Weltgeist auch eine Lenkung der Menschheit ins Verderben erklären. Man muss beide Aspekte berücksichtigen, die positiven Seiten der Menschheit, die einen Schritt zur absoluten Vernunft darstellen, und die negativen, die zum Untergang der Menschheit führen. Diese beiden Faktoren halten sich solange in der Waage, bis eine Seite ihr Ziel erreicht. Demnach würde das Schicksal der Menschheit von den Taten und Entwicklungen ihrer selbst abhängen.

Folglich wäre die Geschichte eine Art Prüfung, in der sich zeigen muss, ob die Menschen zur Vernunft finden oder nicht. Von wem jedoch soll diese Prüfung den Menschen auferlegt werden?

Dem Agnostiker bleibt nur eine Antwort: Von den Menschen selbst. Es muss ein natürlicher Prozess sein, in der sich die Menschheit entweder vollständig entfaltet, oder aber an sich selbst zu Grunde geht. Aktuelle Beispiele sind die Klimaveränderung oder die Forschung in CERN. Beides könnte die Menschen vernichten, entweder durch ein zerstörtes Klima, oder aber durch ein schwarzes Loch, dass die Erde verschluckt. Aber insbesondere die Forschung stellt doch eigentlich den Fortschritt dar, also den umgekehrten Weg zum Untergang. Wie lässt sich dies vereinbaren?

Man darf beiden Extreme nicht so eindimensional sehen. Nicht wie an einem Scheideweg bleibt einem entweder die eine, oder die andere Seite, die eine links entlang, die andere rechts. Eventuell führt der Weg des Fortschritts in Wahrheit zum Untergang, und die vermeintliche Verwahrlosung der Menschheit in Form der Abwendung von der Vernunft ist der Weg des Überlebens.

So wäre es doch möglich, dass die Menschen bei vollständig entfalteter Vernunft ihre eigene Irrelevanz erkennen und daran vergehen. Das Ganze würde von vorn beginnen, unabhängig von Ort und Zeit des Neuanfangs. Damit wäre der Sinn der Geschichte jener, die Menschen zu der Erkenntnis zu führen, dass es keinen Sinn gibt, und sie daran zu Grunde zu richten. Es handelt sich um ein Paradoxon. Aber gerade die Eigenschaft dieses Widerspruches, derart pessimistisch zu sein, lässt ihn seinen Zweck erfüllen.

Wie sollen sich die Menschen nun verhalten, um ihrem Untergang zu entgehen? Typischerweise gibt es zwei Möglichkeiten. Zum einen kann man den Fortschritt aufhalten, um die Entscheidung auf ewig hinauszuzögern. Dies ließe sich mit einer der von Marx’ entwickelten nicht unähnlichen Methode erreichen, nur eben mit dem Ziel, jeglichen Fortschritt zu unterbinden. Die Erfolgschancen sind aber dementsprechend gering.

Die andere Lösung ist, dass die Menschheit sich vor der Entscheidung darauf vorbereitet. Es muss den Menschen bewusst werden, dass ihre Existenz keinen tieferen Sinn hat, bevor sie von der absoluten Vernunft damit überwältigt werden. Vor dieser Stufe nämlich sind sie noch menschlich, und Selbstzerstörung ist keine menschliche Eigenschaft. Sie müssten akzeptieren, dass das Leben auf der Erde nur aus einer Verkettung von verschiedenen Ereignissen heraus entstanden ist.

Diese Perspektive mag zwar ziemlich deprimierend sein, beinhaltet aber auch positive Aspekte. Wenn es keinen allgemeingültigen Sinn gibt, außer dem, zu ebenjener Erkenntnis zu gelangen, kann man sein eigenes Leben ideal gestalten, ohne Zeit mit der Suche nach einem Sinn zu vergeuden. Und man kann es mit persönlichem Sinn füllen. So kann sich beispielsweise ein Arzt zur Aufgabe machen, Menschen zu heilen, und ein Lehrer, ihnen zu helfen, die Welt zu verstehen. Oder man versucht einfach, das persönliche Glück zu finden, fernab von jeglichen Ideen, die versuchen, es zu verallgemeinern.

Montag, 9. Januar 2012

Der Staat

  1. Definition des Staatsbegriffes
  2. Definition eines "modernen Staates nach westlicher Prägung
  3. Staats - und Herrschaftsformen (nach Aristoteles)
  4. weitere Herrschaftsformen